Shabbyshabby Apartments – Ein Erfahrungsbericht


Ob Baumhaushotels, Baumzelte oder andere private Rückzugsorte auf Bäumen – ab heute testen und bewerten Christopher und ich auch allerlei Schlafstätten auf Makrophanerophyten. Nein, das sind keine elefantengroßen Mückenmutanten. Der Begriff ist nur die fachsprachliche Bezeichnung für Bäume. Wieder was dazugelernt.

 

Das erste Objekt für unsere heutige Rezension fiel mir durch einen glücklichen Zufall in die Hände, denn eigentlich wollte ich ja ins Theater. Über das Programm der Münchner Kammerspiele stolperte ich über das Wohnraumprojekt „Shabbyshabby Apartments“ – ein experimentelles, spielerisches Statement gegen wuchernde Mietpreise in München. 120 junge Menschen luden die Kammerspiele in Kooperation mit raumlaborberlin ein, um vierundzwanzig Apartments zu entwerfen und in bester Münchner Lage aufzustellen. Vierundzwanzig alternative Wohnräume zu je 250 Euro Baukosten und 35 Euro pro Nächtigung. Unter den Behausungen befinden sich auch eine quittengelbe Badewannenwohnung, ein Schiff und ein Baumhaus im Park. Letzteres – „Das Chamäleon Konzept“ – wurde von fünf vierzehnjährigen Mädels und selbsternannten „Chaoten“ entworfen. Und genau dieses haben wir besucht:

 

Letzten Mittwoch, so gegen 20.30h suchen wir in der Abenddämmerung im Park des Nockherbergs unseren Unterschlupf für eine Nacht: das Chamäleon Konzept. Von außen ist es ein unscheinbarer Holzkubus auf Stelzen, der sich einen unschuldigen Baumstamm einverleibt. Von innen eröffnet sich ein kuschliger bunter Kobel mit Doppelbett, Dschungelmalereien auf der einen und großzügigem Fenster mit Blick auf Mietshäuser auf der anderen Seite. Daneben steht ein leuchtend blaues Dixie Klo, nur für uns.

 

Auf einer Parkbank vor dem Kunstwerk nehmen wir unser letztes Abendmahl ein. Schräg hinter uns fallen uns sofort zwei Typen auf, die es sich mit Oettinger Bier auf einer unbeleuchteten Parkbank sehr ungemütlich gemacht haben. Unser Picknick kommentieren sie wie über-engagierte Sportmoderatoren, allerdings mit dampfendem Fäkalvokabular – um nicht zu sagen: sie schimpfen wie am Spieß. Shabbyshabby und damit auch wir scheinen ihnen ordentlich auf den Keks zu gehen. Mit ihren aggressiven Gesten sehen sie nicht so aus, als würden sie friedlich einen Kirsch-Muffin mit uns teilen wollen.

 

Je dunkler und menschenleerer der Park wird, desto Testosteron geschwängerter wird die Stimmung. Daran ändern auch die Passanten nichts, die von dem Projekt hellauf begeistert sind. Im Gegenteil. Im Hinterkopf schwirrt die Nachricht, dass letzte Nacht eines der Apartments in Brand gesetzt wurde, Täter unbekannt. Sicherheitskräfte sollen ab jetzt auf die Apartments und ihre Bewohner aufpassen.

 

In Chamäleon Nähe ist weit und breit keine Sicherheitskraft zu sehen und auch wenn eine käme, wäre uns kein ruhiger Schlaf beschert. Wer weiß, ob Nachbar Eichhörnchen nachts zum Tee anklopft oder die zwei Typen mit geballten Fäusten? Zu allem Überfluss warten morgen zwei anstrengende Arbeitstage. Auf einmal wirkt die behagliche Baumhütte exponiert, fragil, zu dünn für müde Nerven. Wäre jetzt Wochenende, würden wir uns viel eher der Konfrontation stellen.

 

Kurzentschlossen packen wir alles zusammen und machen uns auf den Weg nach Hause. Die beiden Typen werfen uns Faustküsschen zum Abschied zu und geben uns derbe Kosenamen. „Ihr Wichser“ ist noch der harmloseste von allen. Zuhause angekommen ruft uns eine Freundin an, die gerade noch vor dem Baumhaus steht. Wo wir bleiben, fragt sie, denn neben dem Chamäleon läge das blaue Dixi Klo wie ein gestrandeter Wal und blute aus seinem Luftloch. Wir fühlen uns in unserer Entscheidung bestätigt, kuscheln uns noch tiefer unter die Decke und dösen ratzfatz weg.

 

Am nächsten Tag, um 7.30h, wartet ein kleines Nachspiel – ein kurzes Interview mit der Süddeutschen Zeitung über unsere Nächtigung. So fahren wir noch einmal zu unserem Reptil, bringen ihm Frühstück vom Bäcker mit und warten auf die Redakteurin und Fotografin. Kurzum: Dem Artikel, der aus dem Interview hervorgeht, fehlt der Pfeffer. Doch dass in der Kürze auch mal die Würze vertauscht wird, kommt in den besten Küchen vor.

Vielen Dank an dieser Stelle an die Münchner Kammerspiele, die uns die Nächtigung zurückerstattet hat und an die Fotografin Natalie Neomi Isser, die uns freundlicherweise die Fotos zur Verfügung gestellt hat.

 

FAZIT:

Miriam: Wer in diesem Baumhaus übernachtet, wird unweigerlich Teil des Kunstwerks. Je nach Gemüt des Betrachters – Eichhörnchen oder Faustbesitzer – wird man zu einem willkommenen Nachbarn oder einer pikanten Provokation. Würde ich da nochmal übernachten wollen? Nein, aber ein anderes würde ich gerne ausprobieren.

 

Christopher: Ich bezweifle, dass die Zukunft urbanen Wohnens darin besteht, sich exponiert in kleinen Lagerstätten zu isolieren. Günstige Altbauwohnungen mit netten Menschen drin wäre mein Wunsch für München und alle anderen Städte. Zwinkersmiley.

 

© Natalie Neomi Isser

© Natalie Neomi Isser

© Natalie Neomi Isser

© Natalie Neomi Isser

© Natalie Neomi Isser

© Natalie Neomi Isser

2 Comments

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  1. 1
    Die Chaos-Leute

    Hier sind die Erbauer des Baumhaus. Wir sind nicht amused. Eig ist dieses Haus doch sehr stabil..Also wirklich xD Es ist übrigens sehr bequem drin zu schlafen, wir hatten es getestet.
    Grüße

    • 2
      richterc2013

      Liebe Chaos-Leute!
      Danke für euren Kommentar. Das Baumhaus war ja auch stabil und schön gebaut, nur haben uns leider zwei aggressive Typen belästigt und unseren Aufenthalt gestört. Dabei hatten wir uns schon sehr gefreut!
      Liebe Grüße
      Christopher vom Baumhausblog

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